In diesem Blogbeitrag erfährst du, warum du Sprachen selbstständig lernen solltest und was das überhaupt bedeutet. Hierfür gebe ich dir die 10 Gründe mit auf den Weg, die aus meiner Sicht am wichtigsten sind.

Was meine ich mit ’selbstständigem‘ Sprachenlernen? Es geht darum, dass du selbst entscheidest, wie du dein Lernen gestaltest, und zwar so, wie es dir entspricht. Ich verwende ’selbstständig‘ also hauptsächlich in Abgrenzung zu ‚abhängig‘ oder ‚fremdbestimmt‘. Man könnte es daher auch ’selbstbestimmtes‘ oder ‚freies‘ Sprachenlernen nennen. Viele Aspekte meiner Vorstellungen stimmen mit den Ansätzen des Freilernens bei Kindern überein. Gleiches gilt für den englischen Begriff self-directed learning, der jedoch ebenfalls für ein bestimmtes Konzept steht.
Legen wir los mit den Gründen: Warum also Sprachen selbstständig lernen?
1. Dir bleibt gar nichts anderes übrig.
Du musst die Sprache sowieso selbst lernen. Niemand kann das für dich tun – es ist ja etwas, das in dir drin ist. Die Vorstellung, dass eine andere Person ganz viel Wissen in deinen Kopf schütten kann, mag verlockend sein. Leider funktioniert es so nicht. Andere Menschen können uns Wissen präsentieren oder Fähigkeiten demonstrieren. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass dieses Wissen im Anschluss in unserem Kopf verfügbar ist oder wir es anwenden können.
Wir kennen das alle: Jemand erklärt uns etwas, gerne auch mehrfach, aber trotzdem können wir die Information nicht oder nur für kurze Zeit abrufen. Oder jemand zeigt uns, wie man etwas macht. Können wir das dann einfach so nachmachen, wenn wir es vorher noch nie gemacht haben? Handstand, Schreiben, Skifahren? Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht.
Da müssen wir schon selbst ran. Genau so ist es beim Sprachenlernen auch. Machen heißt das Zauberwort. Dazu habe ich hier schon einen Blogbeitrag geschrieben.
2. Du kannst die Sprache selbstständig lernen, wann und wo du willst
Wenn du eine Sprache selbstständig lernst, lässt sich das Lernen sehr viel besser in dein Leben integrieren.
Die beste Zeit
Da du nicht von einem Kurs abhängig bist, kannst du dir ganz frei und flexibel Zeiten suchen, die in deine Planung passen und die deinen natürlichen Rhythmus berücksichtigen.
Wie oft hast du schon abends nach der Arbeit völlig übermüdet in einem Sprachkurs gesessen und dir gedacht, ich wäre jetzt lieber auf der Couch? Also ich ziemlich oft. Auf der Couch wäre ich auch besser aufgehoben gewesen. Jetzt weiß ich: Auch dort hätte ich eine Sprache lernen können, und zwar sehr viel leichter!
Der beste Ort
Wie oft bist du zu einem Sprachkurs ans andere Ende der Stadt gefahren und es war einfach nur anstrengend und zeitraubend? Lernen ohne Kurs und ohne Lehrer ermöglicht es dir, dort zu lernen, wo du es willst: auf der Couch, im Garten, am See… Das klingt doch auch gleich schon sehr viel entspannter, was sich wiederum positiv auf dein Sprachenlernen auswirkt.
Die Krux mit den Onlinekursen
Da kommt bestimmt gleich der Einwand: Aber das geht doch jetzt alles auch online mit den Sprachkursen! Ja, geht es und das ist großartig. Ich genieße es sehr, auf diese Weise an Veranstaltungen teilnehmen zu können, zu denen ich sonst nicht hätte gehen können.
Auch hierbei solltest du dich aber fragen, ob ein Onlinekurs wirklich das richtige für dich und deine Situation ist. Denn auch Onlinekurse liegen nicht allen Menschen und sie sind auch nicht für jedes Lernziel passend. Hinzu kommt, dass momentan so viele Veranstaltungen online stattfinden, dass viele nach einem Arbeitstag, den sie schon überwiegend in Online-Veranstaltungen verbracht haben, abends ungern noch privat eine draufsetzen wollen.
Gerade beim Sprachenlernen kann ein Onlinekurs sehr anstrengend sein, da die Hörbarriere noch größer ist. Das kennen wir aus beruflichen Online-Meetings, bei denen ständig jemand nachfragt, weil es beim ersten Durchgang trotz Kommunikation in der Muttersprache akustisch nicht verstanden wurde. Meine Erfahrung als Schwedischlehrerin ist, dass Hörverständnis und Aussprache online ein größeres Thema sind, als es offline erforderlich wäre.
3. Du lernst nur das, was du brauchst, und so, wie du es brauchst
Ein weiterer riesiger Vorteil, wenn du selbstständig eine Sprache lernst, ist die Möglichkeit, die Inhalte an dich individuell anzupassen.
Den richtigen Kanal und das richtige Material finden
Du bestimmst selbst, mit welchem Material du lernst, und bist beispielsweise nicht an ein Lehrbuch gebunden, dessen Themen dich nicht interessieren, dessen Farbgestaltung dich nicht anspricht und dessen Übungen dir keinen Spaß machen. Außerdem kannst du auch den Kanal selbst bestimmen. Wenn du dir die Inhalte lieber anhörst, suchst du dir entsprechendes Material. Bist du eher der visuelle Typ, helfen dir vielleicht tolle Grammatikgraphiken weiter. Da hat sich zwar mittlerweile viel getan und auch Sprachkurse versuchen, Inhalte auf verschiedenen Kanälen zu bieten, aber das heißt ja nicht, dass gerade an diesem Tag für dieses Thema der Kanal getroffen wird, der dir in diesem Moment am meisten weiterhilft.
Dein eigenes Tempo
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil des selbstständigen Sprachenlernens ist, dass du unabhängig vom Tempo eines Kurses und anderer Teilnehmer bist. Dieser Punkt war für mich zunehmend so wichtig, dass ich inzwischen nur noch selten Sprachkurse besuche. Was bringt es dir, wenn der Kurs schneller ist, als du es brauchst? Dann bist du unter Druck und hechelst hinterher. Wenn der Kurs zu langsam ist, langweilst du dich und die Motivation sinkt und sinkt.
Und übrigens: Dein Lerntempo kann und darf auch schwanken. Lernen funktioniert nicht linear. Und es soll doch auch in dein Leben passen (siehe Punkt 2). Da kann man nicht erwarten, dass stets die gleiche Energie verfügbar ist.
Die passende Reihenfolge
Überraschend ist für viele, dass es wichtig sein kann, selbst über die Reihenfolge von Inhalten zu bestimmen. Das sind wir mit unserem Schuldenken natürlich erstmal nicht gewöhnt. Da ist es einfacher, die Verantwortung abzugeben, „weil sich da doch andere Menschen, die sich besser auskennen, schon viel mehr Gedanken dazu gemacht haben“. Diese Menschen kennen aber dich und deine Bedürfnisse und Interessen nicht.
Lehrbücher und Kurse verfolgen einen bestimmten Aufbau, der für einen durchschnittlichen Lerner als sinnvoll erachtet wird. Du bist aber ja nicht der durchschnittliche Lerner. Selbst wenn dir eine vorgegebene Reihenfolge überwiegend dient, heißt das nicht, dass du nicht davon profitieren könntest, gelegentlich von ihr abzuweichen.
Mir geht es häufig so, dass ich sehr früh im Sprachlernprozess grammatikalische Konzepte benötige, die traditionell erst sehr viel später an der Reihe sind. Einfach, weil ich mich so ausdrücken möchte, wie es sich für mich richtig anfühlt. Macht es also Sinn, das zurückzustellen, nur weil irgendjemand anders entschieden hat, dass es aus Sicht dieser Person an anderer Stelle besser passt? Für mich passt es offensichtlich nicht.
Es wäre doch sehr schade, diese Chance zu verpassen, etwas ganz unkompliziert zu lernen. Denn wenn ich es wirklich brauche, habe ich sehr viel Motivation, es mir zu erarbeiten, und nutze es auch regelmäßig – eine tolle Kombination für einen guten und nachhaltigen Lernerfolg.
Was sich lohnt: den Mut aufzubringen, manches einfach überhaupt nicht zu lernen.
Mut zum Weglassen
Was sich ebenfalls lohnt: den Mut aufzubringen, manches einfach überhaupt nicht zu lernen. Hier hilft es, ganz ehrlich zu sich selbst zu sein und zu überlegen: Brauche ich das wirklich? Nutze ich diese Zeitform überhaupt? Komme ich ohne auch klar? Oder vielleicht stelle ich das einfach erst einmal zurück, weil ich es nicht zwingend brauche, um mich auszudrücken?
4. Kein Stress durch das Unterrichtssetting
Lerninhalte vorzuziehen, sie nach hinten zu schieben oder sogar einfach wegzulassen, wie ich es eben vorgeschlagen habe, ist in traditionellem Unterricht natürlich nur schwierig umsetzbar. Denn der Kurs setzt voraus, dass man gemeinsam vorwärtskommt, und Inhalte bauen aufeinander auf. Da ist es nachvollziehbar, dass weder Kursleiter noch andere Teilnehmer von individuellen Eskapaden begeistert sind, was sich dann in der Folge als sozial schwierig gestalten kann.
Was jedoch gut möglich ist: individuelle Lösungen vorschlagen und konstruktiv zusammenarbeiten – wer weiß, vielleicht sind die anderen einverstanden? Meiner Erfahrung nach freuen sich Kursleiter über engagierte Teilnehmer, die ihr Lernen selbst in die Hand nehmen.
Problematisch an Sprachkursen kann vor allem ein weiterer Aspekt sein: das traditionelle Unterrichtssetting. Sprachkurse erinnern viele an ihre Schulzeit. Oft schon deswegen, weil sie rein örtlich in einem realen Klassenraum in einer Schule oder an einem ähnlichen Ort stattfinden, häufig sogar mit Tafel. Jetzt sind wir nun zwar erwachsen, aber wie leicht fallen wir zurück in alte Muster und Gedanken. Dies gilt besonders im Hinblick auf die schiefe Machtverteilung im Rahmen einer Beurteilungssituation.
Dies ist sicherlich in „Freizeit-Erwachsenen-Kursen“ nicht sehr stark ausgeprägt, im Studium findet man sich aber sehr schnell in einer klassischen Testsituation wieder. Der Kurs endet mit einer Klausur und einer Note, die Auswirkungen auf den Studienabschluss hat. Das verursacht Stress.
Stress ist nicht unbedingt schlecht, weil uns ein gewisses Stressniveau dabei hilft, zu wachsen, und Neues zu lernen. Das können wir gut für uns nutzen. Allerdings kippt das irgendwann ins Gegenteil und zu viel Stress hindert den Lernprozess. Dies sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn wir Kurse nutzen, damit wir nicht unnötig Energie verschwenden.
Gelegentlich kommt es zwischen Kursteilnehmern leider auch zu Konkurrenzdruck oder einer Lehrerpleasing-Dynamik, die wir aus dem Schulunterricht kennen. Dies ist stark abhängig von den einzelnen Personen, wobei man hierüber in einem Gruppenunterricht jedoch kaum Kontrolle hat. Auf einen Wettbewerb, wer am meisten Hausaufgaben gemacht hat, wer schon vorgelernt hat oder wer doch schon ach so oft im Zielland war und alles und jeden kennt, können wir allerdings gerne verzichten. Selbst wenn wir an dem Wettbewerb nicht teilnehmen und uns davon nicht unter Druck setzen lassen, nervt es einfach. All das können wir uns sparen, wenn wir selbstständig Sprachen lernen.
5. Der Lernprozess anderer hindert den eigenen Spracherwerb
Ein Vorteil daran, eine Fremdsprache ohne Kurs zu lernen, kann auch darin liegen, dass andere Lerner den eigenen Lernprozess nicht stören. Ein häufig genannter Grund für das Lernen in Gruppen ist zwar, dass man auch von den Fehlern anderer lernt. Das stimmt natürlich – aber sie können auch sehr viel Kraft und Zeit kosten.
Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist die Aussprache. Hier habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sehr viel bringt, sich möglichst viel mit Muttersprachlern zu umgeben, um sicherzustellen, dass man korrekte Aussprache als Input erhält. Beim Input ist nämlich nicht nur Quantität, sondern auch Qualität wichtig.
Nehmen wir an, wir wollen eine Vokabel lernen. Die Kursleiterin spricht sie während des Kurses wiederholt korrekt aus. Wir hören sie allerdings in diesem Kurs von den anderen Teilnehmern (und uns selbst, denn wir üben ja auch noch), womöglich sehr viel öfter inkorrekt ausgesprochen. Auch wenn wir wissen, dass jemand das Wort falsch ausspricht, wir hören es dennoch und nehmen es in uns auf. Wir lernen also automatisch auch die falsche Version mit. Selbst wenn wir die Vokabel am Ende selbst korrekt aussprechen können, ist die Frage, wie viel Zeit und Energie uns die Auseinandersetzung mit der falschen Aussprache gekostet hat.
Das gleiche gilt für Hörverständnis. Die Frage ist: Was wollen wir wirklich lernen? Unser Ziel ist nicht, andere Deutsch-Muttersprachler in der Zielsprache verstehen zu können, sondern Muttersprachler unserer Zielsprache. Muttersprachler zu verstehen, fällt den meisten Kurslernern sehr schwer – was komplett nachvollziehbar ist, da sie ja, gemessen am Input, überwiegend „üben“, andere Lerner zu verstehen und nicht muttersprachliche Sprecher der Zielsprache.
Noch problematischer ist der Fall, in dem es uns überhaupt nicht bewusst ist, dass ein anderer Teilnehmer einen Fehler gemacht hat. Das gilt natürlich auch für Grammatikfehler. Gerade am Anfang können wir das selbst schlecht einschätzen und sind daher auf viel Feedback angewiesen. Es ist als Kursleiter aber weder möglich noch sinnvoll, auf jeden einzelnen Fehler einzugehen, so dass man einkalkulieren muss, dass Fehler aus Lernersicht unentdeckt bleiben.
6. Selbstständig heißt nicht allein!
Wenn du selbstständig eine Sprache lernst, heißt das aber nicht, dass du nie Hilfe in Anspruch nehmen, nie mit anderen Menschen lernen oder nie Kurse besuchen kannst. Interaktion ist eine ganz zentrale Komponente des Sprachenlernens. Eigentlich geht es ja um Kommunikation. Wir wollen die Sprache in den meisten Fällen für den Austausch mit anderen Menschen nutzen. Es geht darum, mit der Sprache als Werkzeug eine Verbindung zu anderen Menschen aufzubauen. Deshalb solltest du dir auf jeden Fall andere Menschen suchen, die Teil deines Sprachlernprozesses werden. In welcher Form bleibt ganz dir überlassen.
Der entscheidende Unterschied zum traditionellen Kurslernen ist, dass du die Verantwortung trägst und selbst aussuchst, wer dich wann wie unterstützt und mit wem du wie lernst. Das bietet dir großartige Möglichkeiten, dein Lernen und Leben spannend zu machen und Spaß zu haben, denn die anderen Menschen sind oft das, was unserer Lernerfahrung ausmacht.
Hier geht es um mehr als „nur“ um Sprachenlernen. Deshalb spreche ich oft lieber vom „Leben mit Sprachen“. Das Lernen einer neuen Sprache bietet die Gelegenheit, eine neue Welt, neue Ideen, andere Wege, sein Leben zu leben, kennenzulernen und vor allem: Kontakte zu knüpfen. Man öffnet sich für Neues und hat gerade deshalb die Möglichkeit, interessante Menschen kennenzulernen, mit denen man sich austauschen und schöne Erfahrungen machen kann. Menschen, die man im normalen Alltag niemals kennenlernen würde.
Wir sind dabei nicht festgelegt auf unseren Sitznachbarn im erstbesten Kurs, der uns über den Weg läuft (wobei für mich persönlich auch hieraus tolle Freundschaften entstanden sind, die auch nach 15 Jahren weiter bestehen), sondern können uns selbst die Menschen aussuchen, mit denen wir uns umgeben wollen. Die auf dem Weg des Sprachenlernens entstandenen Freundschaften gehören für mich zu den schönsten Aspekten des Sprachenlernens. Allein schon deswegen wäre es es wert, eine neue Sprache zu lernen. Also sucht euch die für euch interessantesten Menschen in eurem Leben mit Sprachen und genießt die wunderbaren Erlebnisse, die sich daraus ergeben.
Du musst zum selbstständigen Lernen also nicht allein in deinem Zimmer sitzen. Wir nehmen einfach das Beste aus beiden Welten mit und zwar so, wie es zu uns passt. Wir lernen für uns allein, was wir brauchen und wollen, und können, wenn wir das wollen, Kurse in Anspruch nehmen oder uns Menschen suchen, mit denen wir gemeinsam Sprachen lernen oder nutzen wollen. Win-win.
7. Du bist der Experte für dein Sprachenlernen
Was du individuell brauchst, kann in einem Gruppenkurs schnell untergehen. Wenn du selbstständig lernst, kannst du deinen Expertenstatus über dich selbst beim Sprachenlernen nutzen. Das hilft dir bereits beim Bauen deiner optimalen Lernumgebung und bei der Auswahl von Material und Kanälen. Es bringt dir aber auch einen riesigen Vorteil im Hinblick auf konkrete Sprachfragen.
Nur weil du ein Thema schon häufig im Kurs hattest, heißt das nicht, dass du es kannst. Vielleicht brauchst du dort mehr Unterstützung oder dir fehlt an einer Stelle das Verständnis. Oder du möchtest gerne über dein Lieblingsthema in der Fremdsprache sprechen, du kommst aber jedes Mal ins Stolpern, weil dir Wörter fehlen. Das sind natürlich Aspekte, die aufmerksamen Unterrichtenden auffallen, die sie aber nicht unbedingt lösen können (das Gruppenkurssetting!). Die gute Nachricht ist: Du kannst diese „Lücken“ füllen. Entweder allein oder mit Hilfe von außen.
Gleiches gilt für deine persönliche Zielsetzung beim Sprachenlernen. Du weißt selbst am besten, was du mit der Sprache anfangen willst – und du bist auch der Experte dafür, wo du auf dem Weg dorthin stehst und wie du weiterkommst.
Voraussetzung ist, dass du dir die Zeit nimmst, dich mit deinem Lernen auseinanderzusetzen, damit dir überhaupt bewusst ist, an welcher Stelle du mehr brauchst oder du mehr willst. Diesen Schritt übergehen wir häufig, wenn wir uns einfach nur zu einem Kurs anmelden und dabei die Verantwortung abgeben.
8. Kurse verleiten zum Prokrastinieren
Als ich diese Idee zum ersten Mal gehört habe (übrigens bei Brooke Castillo, The Life Coach School Podcast, absolute Empfehlung!), musste ich erst einmal schlucken: Wie, Kurse, Fortbildungen, Unterrichtsprogramme sind häufig Prokrastination? Aber man tut doch etwas?! Ich gehe hin, nehme teil, höre zu. Ich wäre daher davon ausgegangen, dass ein Kursbesuch gerade das Gegenteil von Prokrastinieren ist. Ihr auch?
Ein Sprachkursbesuch ist häufig Prokrastination.
Je länger ich darüber nachgedacht und es bei der Teilnahme an Kursveranstaltungen an mir selbst beobachtet habe, desto klarer ist mir geworden: Der Prokrastinationsfaktor ist wirklich hoch.
Es stimmt: Erst einmal handeln wir. Wir wollen etwas lernen. Wir melden uns zu einem Kurs an. Wir zahlen Geld. Wir nehmen am Kurs teil. So weit, so gut.
Verantwortung übernehmen
Allerdings geben wir allzu oft die Verantwortung für das Sprachenlernen an der Tür zum Kursraum ab. Und dann soll uns doch die Kursleiterin die Inhalte bitte schön, in kleine Happen angerichtet servieren. Wir machen auch bei Übungen mit, ok, aber Hand aufs Herz: Hauptsächlich lassen wir uns doch berieseln. Wir machen während des Kurstermins das, was uns gesagt wird (ehrlicherweise oft halbherzig), und geben uns nur der Illusion hin, fleißig zu lernen. Genau hierin liegt das Problem.
Wir sagen uns selbst: Wir lernen doch die Sprache, wir gehen doch wöchentlich zum Kurs! Das ist eine sehr geschickte Ausrede dafür, keine Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen und sich außerhalb des Kurses nicht weiter mit der Sprache zu beschäftigen, natürlich mit Ausnahme von Hausaufgaben, die wir schnell vorm Kurs noch oberflächlich machen – was möglicherweise mehr mit Lehrerpleasing und Nicht-negativ-auffallen-wollen zu tun hat (siehe Punkt 4) als mit Lernen.
Das soll alles gar nicht heißen, dass wir in Kursen überhaupt nichts lernen. Es gibt großartige Kurse, wir müssen nur auch wirklich teilnehmen und nicht nur anwesend sein. Wenn wir uns bereits für die Anwesenheit auf die Schulter klopfen und in der Folge nichts weiter selbst tun, dümpeln wir langsam vor uns hin und schöpfen unser Potential nicht aus.
Den Absprung aus der Kurs-Bubble finden
Prokrastination können wir aber auch noch in einer anderen Hinsicht finden: Wir machen möglicherweise den erforderlichen Schritt in die reale Welt nicht. Wir bleiben lieber in der Kurs-Bubble, wo alle anderen ja auch Fehler machen und alles so kuschelig ist, weil wir ja alle „nur“ lernen. Und erst wenn wir dann „fertig“ sind mit Lernen (also nie), gehen wir raus in die Welt und nutzen die Sprache (soweit die Ausrede, die wir uns selbst präsentieren). Auch hier ist die alternative Tätigkeit, die wir der erforderlichen Tätigkeit vorziehen und damit letztere aufschieben, das Kurslernen.
Da es sich in der künstlichen Lernwelt so schön sicher anfühlt, machen wir dort Kurs um Kurs, finden aber den Absprung nicht. Denn: Der Übergang wird immer schwieriger. In Kombination mit einem perfektionistischen Anspruch wird die tatsächliche Nutzung der Sprache in der Realität immer weiter nach hinten geschoben. Und fällt leider in vielen Fällen dann ganz aus. Irgendwann macht man keinen weiteren Kurs mehr und, da man die Sprache weder selbstständig lernt noch den Übergang in die reale Welt vornimmt, hört folglich einfach auf mit dem Sprachenlernen.
Was kann man da machen, wenn man mit dem Sprachenlernen aufgehört hat? Einfach wieder anfangen, machen, tun – egal, in welchem Stadium du mit deiner Sprache bist. Denn es ist nie zu spät, eine Sprache wieder aufzunehmen! Versuche es doch beim nächsten Mal einfach mal selbstständig.
9. Sprachen selbstständig lernen kann kostenlos sein
Du kannst natürlich Geld fürs Sprachenlernen ausgeben, aber du musst es nicht!
Online
Das Internet hat mehr Texte, Audio und Video in deiner Zielsprache, als du jemals konsumieren könntest. Und der deutlich überwiegende Teil ist kostenlos. Denn: Die Inhalte, die du für dich als authentisches Lernmaterial einsetzen kannst, sind einfach eine „Nutzung“ des Internet in einer bestimmten Sprache. Es gibt so viele Blogs, Informationsseiten, Foren… Oder denk an Wikipedia: Wie viele Texte in unfassbar vielen Sprachen und zu den vielfältigsten Themen kannst du dort finden?
Kostenpflichtige Inhalte ersetzen häufig Produkte, die es auch offline gibt, z.B. Sprachkurse, Lernmaterial, Zeitungen, Film-Streamingportale. Das Internet bietet aber auch kostenlose Lernmaterialien, die speziell für Lerner deiner Zielsprache konzipiert wurden. Oft handelt es sich dabei um einen kleineren Teil eines sonst kostenpflichtigen Angebots. Es gibt jedoch auch tolle kostenlose Lernmaterialien von Privatpersonen, die sich einfach gerne mit dem Thema beschäftigen und anderen beim Erlernen ihrer Sprache helfen wollen. Darüber hinaus findest du auch Lernmaterialien von öffentlicher Seite, die beispielsweise für neu Hinzugezogene zur Verfügung gestellt werden. Hier lohnt es sich, nach dem Content zu suchen, der am besten zu dir passt. Tolle Grammatikblogs, Videos zu einzelnen Grammatikthemen, Wortschatzzusammenstellungen, Aussprachebeispiele – du musst nur danach suchen!
Es ist dabei ganz leicht möglich, den Kanal zu wählen, der für dich gerade am besten funktioniert. Möchtest du über ein Thema etwas lesen? Dann kannst du beispielsweise nach einem Blog suchen. Du bevorzugst Videocontent? Suche in einem Videoportal. Du möchtest wissen, wie ein bestimmtes Wort ausgesprochen wird? Auch hier findest du Beispiele durch eine schnelle Suche.
Großartige Möglichkeiten zum selbstständigen Sprachenlernen bieten soziale Medien. Auch dort findest du sowohl Lerncontent als auch authentisches Material. Ein riesiger Vorteil sozialer Medien ist, dass ein unmittelbarer Austausch mit anderen Menschen möglich ist. Fang doch einfach mal an, dir Accounts in der gewünschten Sprache zu suchen, deren Inhalt dir gefällt. So bekommst du die Sprache, ohne dass du irgendetwas tun musst, in deinem Feed angezeigt. Du wirst sozusagen ganz natürlich mit Lerninhalten versorgt, die dich auch interessieren.
Und dann könntest du ja einfach mal anfangen, dich aktiv an der Diskussion zu beteiligen und Beiträge zu kommentieren. Das muss auch gar nichts Großes sein. Schreib doch einfach mal einen kleinen Satz, dass dir ein Beitrag gefällt oder das Bild schön ist. Oft kommt dann auch etwas zurück – und sei es nur ein Like oder Herz. Auch wenn dein Anteil noch so klein ist: Das ist eine (erfolgreiche!) Kommunikation, die dir sehr viel Motivation verpassen kann. Und wer weiß, vielleicht kommentierst du schon bald umfangreicher und der Austausch wird auch inhaltlich anspruchsvoller.

Offline
Aber auch die traditionellen Möglichkeiten, kostenlos zu lernen, sollen hier nicht zu kurz kommen. Eine Quelle, die ich persönlich liebe, sind Bibliotheken. Sehr hilfreich sind sie beispielsweise bei der Lehrbuchauswahl. Du kannst dort verschiedene Werke ausprobieren und so herausfinden, mit welchem du persönlich am liebsten arbeitest. Bibliotheken haben meist auch eine Auswahl an Büchern und DVDs in Fremdsprachen. Der Umfang ist allerdings häufig von der Fremdsprache abhängig.
Oder du suchst dir einen Tandempartner, also eine Person, die mit dir in deiner Lernsprache spricht und dir bei Fragen hilft. Im Gegenzug hilfst du der Person beim Lernen deiner Muttersprache. Für mich persönlich ist das einer der besten und einfachsten Wege, eine Sprache zu lernen. Die Treffen können natürlich auch online stattfinden, es hat aber auch seine Vorteile, sich offline zu treffen.
Eine weitere Möglichkeit ist das Besuchen von Veranstaltungen in deiner Lernsprache. Das geht auch in Deutschland! Schau mal bei den Auslandskirchen oder Botschaften nach. Dort findest du häufig auch Hinweise auf weitere Veranstaltungen in der jeweiligen Sprache an anderen Orten, auf die du allein nicht gekommen wärst. Es lohnt sich!
Das war nur eine kleine Auswahl an Möglichkeiten, kostenlos Sprachen zu lernen. Es geht wirklich nur darum, sich auf die Suche zu machen und die Angebote dann auch zu nutzen. Die anfängliche „Mehrarbeit“ im Vergleich zum Anmelden für einen Sprachkurs verwandelt sich schnell in große Motivation, sobald du „deine“ Lernquellen entdeckt hast und die spannenden Möglichkeiten dein ganzes Leben bereichern.
10. Wenn du selbstständig Sprachen lernst, geht es schneller
Wenn du die bisher genannten Punkte berücksichtigst, kannst du jede Menge Zeit sparen. Das ist aber nur ein toller Nebeneffekt, denn ich meine damit nicht, dass du eine Sprache um jeden Preis schnell lernen solltest! Nein, es ist zwar wichtig, dass du zeitlich optimal vorankommst, damit du nicht in ein Motivationsloch fällst. Schneller ist aber nicht unbedingt besser.
Schnelligkeit als Selbstzweck führt nach meiner Erfahrung vor allem zu einem Verlust an Nachhaltigkeit. Schnell gelernte Inhalte, die keine Gelegenheit haben, sich zu festigen, werden auch schnell wieder vergessen. Außerdem verpasst du eine Menge Spaß, den du auf deinem Sprachlernweg haben kannst. Meine ganz persönliche Meinung zum schnellen Sprachenlernen ist also, dass es sich nicht lohnt, jedenfalls nicht auf Kosten anderer Lernaspekte.
Damit meine ich natürlich auch nicht, dass man nie schnell lernen darf. Es kann durchaus Sinn machen, sich eine Challenge zu setzen und für gewisse Lerninhalte einen Sprint hinzulegen, um sich selbst zu motivieren. In manchen Fällen bietet es sich auch an, vor einem Auslandsaufenthalt nochmal Tempo zu geben, um dann vor Ort einen besseren Start in der Sprache haben zu können. Das Ziel wäre dann aber in beiden Beispielen nicht die Schnelligkeit an sich, sondern hier beispielsweise Motivation und Nutzungsmöglichkeiten. Worauf es ankommt, ist, wie immer, dass es für dich passt.
Hier habe ich alle 10 Gründe, die für das selbstständige Lernen von Sprachen sprechen, noch einmal für dich zusammengestellt:
