
Wo liegt eigentlich das Problem?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich in den meisten Fällen nicht um ein Problem mit der Fremdsprache handelt, sondern uns hindern unsere eigene Vorstellungen von uns, von den anderen und vom Sprachenlernen.
Was ich damit meine?
Ich zeige es dir an den zwei beliebtesten Mythen im Zusammenhang mit dem Sprachenlernen, die regelmäßig zur Sprache kommen, wenn ich mal wieder mit Begeisterung über mein Lieblingsthema Sprachen rede:
Nr. 1: Also ich habe ja gar kein Sprachtalent.
Was dabei auffällt: Alle, die das sagen, beherrschen ihre Muttersprache und die meisten sprechen mindestens eine weitere Fremdsprache – viele sogar im Beruf!
Woher kommt denn dann dieser weit verbreitete Glaubenssatz?
Negative Erfahrungen in der Schule
Viele Menschen haben in ihrer Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit dem Sprachenlernen gemacht. Die meisten beziehen sich auf ihre Schulzeit, in der sie den Eindruck gewonnen haben, dass sie einfach keine Fremdsprachen lernen können. Da hat man viele Jahre Sprachunterricht hinter sich, hat sich mit Vokabeln und Grammatik gequält, die Noten haben aber trotz aller Anstrengung „gezeigt“, dass man die Sprache nicht kann. Oder: Es lief einigermaßen gut mit den Noten, aber am Ende der Schulzeit hat man festgestellt, dass man die Sprache in der Realität nicht verwenden kann.
Können wir daraus wirklich ableiten, dass wir kein Sprachtalent haben?
Es lohnt sich, diese Glaubenssätze intensiv zu hinterfragen. Möglicherweise war man nicht „schlecht“ im Sprachenlernen, sondern nur in dem konkreten Sprachenlernen, was in der Schule vermittelt wurde. Hinzu kommt, dass Noten nicht unseren Sprachstand widerspiegeln, sondern zeigen, wie erfolgreich wir im System Schule klargekommen sind. Und das hat mit echtem Sprachenlernen relativ wenig zu tun.
In Klausuren kam es nicht darauf an, dass wir über ein gewisses Vokabular verfügen, dass wir uns souverän zu einem Thema äußern können, sondern, dass wir willkürlich ausgewählte Vokabeln zu einem bestimmten Zeitpunkt genau so wiedergeben können, wie es gerade gefragt ist.
Fehler wurden notenmäßig bestraft, obwohl sie oft einen (positiven) Entwicklungsschritt zeigen und ein entspannter und konstruktiver Umgang mit Fehlern eine unabdingbare Voraussetzung für eine optimale Lernumgebung ist.
Wie oft haben wir Lückentexte befüllt, um zu zeigen, dass wir ein bestimmtes grammatikalisches Konzept anwenden können. Dass wir diese Sätze niemals selbst hätten bilden können, schien nicht zu interessieren.
Wir haben viel abstraktes Wissen in kleinen, nur selten miteinander verbundenen Inseln angehäuft und können daher möglicherweise hervorragend Auskunft über den Subjonctif geben – aber wir haben nicht gelernt, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Natürlich sind wir im Ergebnis frustriert. Ich schreibe bewusst „wir“, denn mir geht es doch ganz genauso.
Die Frage ist nur: Was machen wir jetzt aus diesen negativen Erfahrungen? Wie bewerten wir sie für uns? Denn das ist es, was maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg unseres Sprachenlernens in der Zukunft hat.
Was hat es mit der „Sprachbegabung“ auf sich?

Wir haben bereits gesehen, dass unsere Gründe für eine angeblich fehlende Sprachbegabung nicht unbedingt stichhaltig sind. Immerhin sprechen wir ja mindestens unsere Muttersprache und unsere Sprachkarriere in der Schule lässt auch nicht zwingend Rückschlüsse auf unsere individuellen Fähigkeiten zu.
Es ist so: Sprachenlernen ist ziemlich komplex und erfordert eine Vielzahl von Fähigkeiten und Kenntnissen: Aussprache, Hörverstehen, Wortschatz, Grammatik und mehr. Meist kann man einige Aspekte besser und andere schlechter. Eine Person hat eine schnelle Auffassungsgabe, dafür aber Probleme bei der Aussprache. Ein anderer kann wundervoll andere Menschen imitieren und die Aussprache in der Fremdsprache macht daher keine Mühe, Vokabeln behalten ist aber schwierig. Was die einzelnen Aspekte aber ausmacht, ist, dass sie nicht einfach von Geburt an da, fertig und limitiert sind, sondern, dass man sie weiterentwickeln kann. Ja, auch die Aussprache! Auch, wenn man kein Kind mehr ist. Es geht vielleicht nicht mehr so schnell oder einfach wie als Kind, aber es geht!
Wer zur Frage, ob und warum manche Menschen leichter Sprachen lernen, eine Antwort einer Gehirnexpertin lesen mag, findet hier eine schöne, kurze Erklärung.
Was machen wir mit diesen Gedanken?
Aber wie geht es jetzt weiter? Denn die meisten von uns haben solche Gedanken wie „Ich habe einfach kein Sprachtalent“. Vielen begegnet dieser Gedanke auch in einer anderen Ausprägung. Dann ist es eher der „Ich-kann-das-einfach-nicht“-Gedanke, der häufig wiederkehrt, auch wenn wir uns bereits mitten im Sprachenlernen befinden. Wir wissen jetzt, dass sie nicht stimmen müssen. Das ist ein guter Ausgangspunkt, denn das bedeutet, dass wir sie nicht so ernst nehmen müssen.
Viel wichtiger als eine Bewertung von Gedanken in „richtig“/“falsch“ oder „wahr“/“unwahr“, ist aber, was dieser Gedanke mit uns macht. Der Gedanke „Ich kann das einfach nicht“ hilft uns einfach überhaupt nicht weiter, denn damit sprechen wir uns jegliche Selbstwirksamkeit ab. Das einzige, was wir damit erreichen, ist, dass wir uns schlecht/klein/unsicher/blamiert/ängstlich fühlen – und das führt nicht dazu, dass wir begeistert weiter Sprachen lernen.
Damit wir aber begeistert weiter Sprachen lernen, können wir den Gedanken mal Gedanken sein lassen und einfach mal machen. Wir wissen ja, dass er nicht unbedingt stimmt.
Oder wir ändern den Gedanken ganz langsam ab: Erst „Vielleicht kann ich es doch“, dann „Etwas kann ich ja schon“. Gerne mit mehr Bewusstsein und Fokus auf das, was ich genau kann („Die Verbformen im Präsens kann ich schon gut“).
Wir können das Sprachenlernen auch als Experiment angehen: „Jetzt schaue ich einfach mal, was passiert, wenn ich doch mit der Sprache anfange. Ich probiere ja nur aus, da kann ja nichts schiefgehen.“ Das ist sowieso ein wunderbares Mindset, weil es eine unglaubliche Leichtigkeit mit sich bringt und dir ermöglicht, die Sprache spielerisch anzugehen. Optimale Voraussetzungen für deinen Lernerfolg!
Nr. 2: Puh, ich will aber nicht pauken. Das ist doch furchtbar langweilig und anstrengend.

Auch hier stehen uns unsere Gedanken im Weg und auch hier ist es hilfreich, sie zu hinterfragen. Dieses Mal sind es unsere Vorstellungen vom Sprachenlernen. Wer sagt denn, das Sprachenlernen langweilig und anstrengend sein muss, damit man es „richtig“ macht?
Es gibt auch einen anderen Weg. Du musst gar nicht pauken! Du darfst Spaß haben! Und das ist gerade auch ein entscheidender Faktor, der dich beim Lernen deiner Traumsprache weiterbringt. Denn:
Wenn wir Spaß haben, lernen wir besser!
Oben haben wir es schon davon gehabt: Für eine optimale Lernatmosphäre ist es wichtig, dass du entspannt und mit Leichtigkeit an die Sache herangehst, keine Angst vor Fehlern haben musst und dich möglich vielfältig mit dem Lerninhalt auseinandersetzt. Letzteres funktioniert vor allem spielerisch. Kinder zeigen uns, wie es am besten geht: Sie lernen, indem sie spielen.