Ihr habt es inzwischen schon gemerkt: Friesisch liegt mir sehr am Herzen. Nachdem ich euch im letzten Beitrag schon einige überraschende Fakten über Friesisch genannt habe, wird es heute etwas persönlicher. Ich habe für euch meine liebe Freundin und ehemalige Kommilitonin Saskia, die Friesisch als Muttersprache spricht, interviewt. Auf diese Weise bekommt ihr einen Eindruck davon, wie das mit Friesisch im wirklichen Leben ist.
Saskia ist auf Föhr aufgewachsen und spricht neben Deutsch auch Fering, das auf Föhr gesprochene Friesisch, als Muttersprache. Sie hat in Kiel Friesisch und Dänisch studiert und arbeitet jetzt in der Tourismusbranche im Familienunternehmen Weber – Ferien auf Föhr. Auf ihrer Heimatinsel lebt sie mit Mann und Hund.

Saskia, warum sprichst du Fering? Wer hat es dir beigebracht?
Das Friesische ist meine Muttersprache (naja, eher Vatersprache). Im innersten Familienkreis bin ich zweisprachig aufgewachsen. Für meinen Vater war es selbstverständlich, dass er mit uns Friesisch spricht. Ich komme aus dem Westen der Insel Föhr, wo das Friesische glücklicherweise noch sehr verbreitet ist und als selbstverständlich wahrgenommen und gesprochen wird. Friesisch wurde bei uns sogar als „Fremdsprache“ in der Grundschule und auf der weiterführenden Schule unterrichtet. Für die Friesisch sprechenden Klassenkameraden natürlich ein Heimspiel. Ich freue mich aber sehr, dass diese schöne Tradition in all‘ seiner Form und im Alltag so sehr bewahrt wird.
Mit wem sprichst du Friesisch?
Ich spreche Friesisch mit meinem Vater und der Familie auf der Seite meines Vaters. Auch mit Friesisch sprechenden Freunden und Bekannten. Beim Bäcker, im Supermarkt überall im Alltag immer dann, wenn der oder die gegenüber auch Friesisch spricht. Und generell habe ich festgestellt: Ich kann mit den Personen nur auf der Sprache sprechen, auf oder mit der ich sie kennengelernt habe. Ein späteres Wechseln ist wirklich sehr schwierig.
Sprichst du Friesisch mit Friesisch-Sprechern einer anderen Mundart? Wie gut kannst du sie verstehen?
Erst durch das Studium habe ich gelernt, mich mit Friesisch-Sprechern anderer Mundarten unterhalten zu können. Im Alltag sind die 9 noch gesprochenen Mundarten des Nordfriesischen doch sehr unterschiedlich. Vorher konnte ich die anderen Mundarten kaum bis gar nicht verstehen und erst recht mich nicht unterhalten.
Mein Horizont, was das Thema angeht, war bis dahin auch sehr klein. Die Berührungspunkte mit anderen Mundarten waren kaum da. In der Schule haben wir zwar gelernt, dass es es noch weitere Mundarten gibt, aber Berührungspunkte gab es nie. Dazu kommt, dass – im Vergleich zu Föhr – auf dem Festland relativ wenig Leute Friesisch sprechen.
Wie schätzt du die gegenseitige Verständlichkeit mit Westfriesisch ein?
Das Westfriesische ist unserem Nordfriesisch nicht sehr nahe. Das Verstehen und Lesen fällt mir sehr schwer. Es fühlte sich in den Uni-Kursen eher so an, als würde man eine ganz neue Sprache lernen.
Kennst du jemanden, der Fering spricht, aber kein Hochdeutsch kann?
Ich kenne keinen/keine, der/die kein Hochdeutsch spricht. Aber ich kenne einige Menschen, die auf der westlichen Seite der Insel leben, die erst im Kindergarten oder in der Grundschule das Hochdeutsche richtig gelernt haben. Westerland-Föhr wird oft als eine der zwei „Hochburgen des Nordfriesischen“ betitelt. Das Friesische ist hier wirklich in allen Bereichen allgegenwärtig. Bevor man in die Grundschule oder den Kindergarten kam, wurde in den meisten Familien überwiegend Friesisch gesprochen.
Wie reagieren Menschen, die kein Friesisch sprechen, z.B. Touristen, wenn sie dich Friesisch sprechen hören?
Touristen sind häufig sehr interessiert an der Sprache. Oft werde ich dann nach Übersetzungen verschiedener Alltagsfloskeln gefragt. Auch für Nicht-Friesisch-Sprechende ist das Friesische sehr präsent – klar, viele um sie herum sprechen die Sprache! Die meisten können fast alles verstehen. In größeren Gesellschaften wird dann permanent zwischen Hochdeutsch und Friesisch gewechselt, obwohl die Friesen da häufig auch sehr rigoros sind und nicht viel Rücksicht auf Nicht-Friesisch-Sprechende nehmen 😉
Nutzt du Fering selbst schriftlich oder kommt die Sprache in deinem Leben in irgendeiner Form schriftlich vor?
Schriftlich habe ich das Friesische nur in der Uni genutzt. Im Alltag schreibe ich eher seltener Friesisch. Mal eine Karte an einen Freund oder auch eine WhatsApp an Kommilitoninnen.
Ich denke, dass kaum einer, der hier auf der Insel Friesisch spricht, und sich nicht wissenschaftlich damit auseinander gesetzt hat, auf Friesisch schreiben kann. Es war/ist einfach nicht von Nöten. Auch mit anderen Friesisch-Sprechern schreibe ich Kurznachrichten auf Deutsch hin und her. Merkwürdig, oder?
Man hört dann immer: „Man schreibt es einfach so wie man es spricht“. Was natürlich nicht ganz so stimmt. Viele sind auch der Meinung, es gäbe keine einheitliche Schreibweise. Auch innerhalb der einzelnen Mundarten nicht. Teilweise unterscheidet sich in den Dörfern die Aussprache bereits sehr stark.
Wie war es für dich, Friesisch zu studieren? Was hat dir das Studium gebracht?
Ich wollte gerne mehr können, als es immer nur zu sprechen. Ich wollte gerne mehr über die Herkunft und Entstehung meiner Muttersprache wissen und mich auf wissenschaftlicher Ebene mit der Sprache auseinandersetzen.
Sprache ist so viel mehr als nur das Sprechen. Es war natürlich witzig, sich mit seiner Muttersprache auseinanderzusetzen und über Personen, Orte und Traditionen von Föhr oder Nordfriesland zu sprechen. Die Exkursionen „nach Hause“ waren immer schön!
> Mehr zum Friesisch-Studium kannst du in diesem Blogbeitrag lesen. Offizielle Informationen zur Frisistik in Kiel findest du hier.
Was ist dein ungewöhnlichster Tipp zum Sprachenlernen?
Vor allem beim Friesischen gilt: Sich mit den Dorfbewohnern bekannt machen. Straßenfeste, Dorffeste besuchen, in Vereinen aktiv sein und am Alltag teilnehmen. Oder eben wie im Fall meines Mannes: sich eine Friesisch sprechende Partnerin suchen! Dann geht es ganz schnell. Das aktive Sprechen mit Muttersprachlern üben und wenig den Fokus auf das stumpfe Lernen von Vokabeln setzen. Das Land bereisen, sich dort einige Zeit aufhalten, um die Traditionen und Lebensumstände und Identifikation mit der Sprache kennenzulernen und zu verstehen.
Hinter der Sprache steckt noch so viel mehr als das „stumpfe“ Sprechen. Und den Mut haben, die Sprache anzuwenden, sich keine Gedanken darüber zu machen, was der Gegenüber denkt. Ich bitte so oft Friesisch-Lerner darum, einfach mich drauf los anzusprechen und sich vor mir nicht zu genieren. Nur so kann man die Sprache lernen.
> Mehr Tipps zum Sprachenlernen findest du übrigens auf dem Blog unter der Kategorie Sprachlerntipps!
Was hat für dich beim Sprachenlernen überhaupt nicht funktioniert, obwohl es gefühlt alle machen oder empfehlen?
Vorträge halten. Unsere Dozenten in den Dänischkursen hielten es immer für sinnvoll, dass wir die Sprache lernen, indem wir Vorträge vor Kommilitonen halten. Was kam dabei raus? Ich habe mir alle Wörter im Wörterbuch zusammengesucht und irgendwie zusammengereiht. Dadurch wusste ich dann selbst manchmal nicht mehr, was ich da eigentlich erzähle und wurde ständig unterbrochen und verbessert. Hat bei mir persönlich nicht den Zweck erfüllt.
An Föhr liebe ich am meisten die Weite, den Wind und die Ruhe. Sich bei Sturm am Strand den Kopf frei pusten lassen. Mit dem Hund durch den Wald spazieren und die Natur genießen.
Erzähl doch mal von Föhr! Was liebst du am meisten an der Insel?
An Föhr liebe ich am meisten die Weite, den Wind und die Ruhe. Sich bei Sturm am Strand den Kopf frei pusten lassen. Mit dem Hund durch den Wald spazieren und die Natur genießen.
Ich schätze sehr die Gemeinschaften in den einzelnen Dörfern. Es kann Vor- und Nachteile haben. Aber hier hilft man einander, es werden Traditionen gelebt und erhalten.
Liebe Saskia, vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast!